Wenn Journalisten Leute sind, die ein Leben lang darüber nachdenken, welchen Beruf sie eigentlich verfehlt haben, wie weiland Mark Twain höhnte, dann sind Star-Journalisten Leute, die glauben, gerade das sei der einzig wahre Beruf. Ein solcher Star-Journalist ist Armin Wolf. Der Tiroler ist stellvertretender Chefredakteur des zwangsfinanzierten ORF. Dort beglückt er die Österreicher unter anderem mit der Moderation der Nachrichtensendung „ZIB2“.

Der Digitalchef der Süddeutschen Zeitung, Stefan Plöchinger, machte am Freitag auf einen Vortrag von Wolf aufmerksam. Er lobte diesen als „sehr richtig, sehr wichtig“. Das vorgegebene Thema  auf dem „Mediengipfel“ bei den 30. Münchner Medientagen lautete „Welche Medien wollen wir morgen in unserem Leben?“.

Eine gute Frage. Die Medienlandschaft hat sich in den vergangenen Jahren drastisch gewandelt. Nicht nur das Nutzungsverhalten der Leser und Zuschauer änderte sich, sondern auch das Angebot. Die Digitalisierung schreitet unaufhaltsam voran. Bislang geglaubte Wissensmonopole gehen unter in einer Vielzahl von Fachblogs, YouTube-Kanälen, Online-Magazinen, et cetera.

Star-Journalist Wolf wählte ein schlaues Thema für den Einstieg seiner Rede: Trump. Nicht einmal Putin oder Erdogan sind in den deutschen Redaktionsstuben verhaßter als der republikanische Präsidentschaftskandidat. Nach dem obligatorischen Trump-Wähler-Bashing holte der ORF-Mann zum Schlag gegen neue, alternative oder schlicht andere Medien aus.

„Aus ihren Facebook- und Twitter-Feeds und aus einer unübersehbaren Vielzahl von Blogs und Websites, die oft aussehen wie das, was wir herkömmlich unter Medien verstehen, die aber doch etwas völlig anderes sind“, spottete Wolf, um kurz darauf das Gegenteil zu sagen: „Heute ist Pressefreiheit die Freiheit von über drei Milliarden Menschen mit Online-Zugang, ihre Meinung ins Netz zu stellen.“

Nur „E-Journalismus“ ist Journalismus

Obgleich es weniger Einstiegsbarrieren in den Journalismus gibt als vor der digitalen Revolution, ist für den Österreicher nicht jeder ein Journalist, schon gar kein guter. Dem „U- und K-Journalismus“ (Unterhaltungs-, Kommerz- und Kampagnenjournalismus) stellt er — den von ihm präferierten und einzig richtigen — „E-Journalismus“ gegenüber.

Was heißt E-Journalismus, zu dem sich Wolf bekennt? „Die zentrale Aufgabe von E-Journalismus ist es eben nicht, Menschen zu unterhalten, abzulenken oder aufzuhetzen – sondern sie aufzuklären. E-Journalismus möchte seinem Publikum helfen, qualifizierter am demokratischen Diskurs teilzunehmen, so hat es die BBC mal für sich definiert“, so der Tiroler.

Klingt erst einmal gut. Doch für Wolf tun das eher weniger, mittlerweile unbeliebter gewordene Medien. Das wären zum einen die U-Medien, zu denen er Magazine und Hefte zählt, die sich am freien Markt behaupten müssen und, wie er meint, „florieren“. Zum anderen seien dies die noch viel schlimmeren Kampagnenmedien. Die verfolgten nämlich eine „politische Agenda“: Fox News, Breitbart, Infowars, „Kopp-Verlag“, Unzensuriert.

Leserbeschimpfung — mal wieder

Diese Medien würden sich großer Beliebtheit erfreuen, weil sie gerade das nicht täten, was der E-Journalismus tue: „Der fordert sein Publikum heraus, konfrontiert es mit anderen Ansichten, unterschiedlichen Standpunkten, mit Argumenten und Widerspruch, mit Kontext und Komplexität und mit Themen, nach denen man nicht unbedingt sucht, weil man noch gar nicht weiß, daß einen das interessieren könnte.“

Indirekte Leserbeschimpfung — mal wieder. Wer sich mit den Informationen, die ihm E-Journalisten bieten, nicht zufrieden gibt und im Internet weiter recherchiert, ist doof. Selbstverständlich gibt es unter der Vielzahl an Blogs und Meinungsseiten auch spinnerte. Aber das muß eine Demokratie aushalten. Die von Wolf kritisierten Journalismen sind eine Bereicherung für die Medienlandschaft.

Presserat mißbilligt Nennung von Täterherkunft

Der erklärende Journalist sollte sich einmal fragen, warum sogenannte „alternative“ Medien oder nicht-linke Zeitungen Konjunktur haben. Ein Beispiel: Der Presserat hat vor kurzem der Jungen Freiheit (JF) eine Mißbilligung ausgesprochen. Warum? Weil sie die Nationalität eines polizeibekannten Asylbewerbers in Wien nannte.

Überdies störte sich der Presserat daran, daß das Blatt eine Krankheit des Afghanen erwähnte, „deren Behandlung den österreichischen Steuerzahler eine nicht unbedeutende Summe kostet“. Unter anderem weil die JF die Herkunft von mutmaßlichen und tatsächlichen Straftätern nennt und sich dem politisch korrekten Meinungsdiktat nicht unterwirft, ist ihre Auflage entgegen des Branchentrends seit Jahren steigend.

Ein Gegenbeispiel: Die ZDF-Nachrichtensendung „heute+“ hat am Donnerstag seine Nicht-Berichterstattung im Fall eines ermordeten Hamburgers verteidigt, nachdem es einen Shitstorm über sich ergehen hat lassen müssen, weil die Tat keine Erwähnung in dem Nachrichtenmagazin fand. Der Alster-Mord hatte deutschlandweit für Schlagzeilen gesorgt. Am vorvergangenen Sonntag war dort ein 16jähriger hinterrücks und ohne Anlaß von einem Unbekannten erstochen worden. Seine 15 Jahre alte Freundin war vom Täter in den Fluß gestoßen worden. Die Polizei fahndet seither nach einem 23 bis 25 Jahre alten Mann mit „südländischer Erscheinung“.

Gerade dieses Merkmal lese ich täglich, wenn ich die Polizeimeldungen durchsehe. Vom kleinsten Dorf bis in die Metropole: überall häufen sich Vorfälle mit Tätern „südländischer Erscheinung“, die es in dem Ausmaß vor fünf Jahren noch nicht gab. Für die Redakteure von „heute+“ hat das nach eigenen Angaben keine gesamtgesellschaftliche Dimension, ist also nicht berichtenswert. „Es ist für uns nicht das entscheidende Kriterium, welchen ethnischen Hintergrund ein Täter hat“, sagte der stellvertretende ZDF-Chefredakteur Elmar Theveßen.

Giovannis Einsicht

Eine positive Wendung nahm dagegen der Zeit-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo. Anfang Juli dieses Jahres kritisierte er die einhellige „Welcome refugees“-Stimmung der meisten Medien. „Das haben uns die Leute übel genommen.“ Auch seine Zeitung habe mit einer Ausgabe im August 2015 Fehler gemacht.

Die undifferenzierte Solidarisierung der vierten Gewalt mit der politischen Willkommenskultur habe das Vertrauen der Leser verspielt. „Da fand das Vorurteil Bestätigung, dass wir mit der Macht, mit den Eliten unter einer Decke stecken und das, was uns verordnet wird, mit unterstützen.“ Letzteres treffe zwar nicht zu, „aber den Eindruck konnte man durch die Berichterstattung durchaus gewinnen“. Lorenzos Position mündete in einen anhaltenden Streit mit seinem Vize Bernd Ulrich.

Lesern den richtigen Journalismus aufzwingen

Wolf kommt schließlich zu dem Schluß, die sozialen Medien mit E-Journalismus zu fluten. „Letztlich idealerweise in Formen, Formaten und auf Plattformen, bei denen sie auch noch dafür bezahlen. Aber letztlich ist der beste Journalismus der Welt sinnlos und wertlos, wenn er kein Publikum erreicht. Und wenn das Publikum nicht mehr zu uns kommt, müssen eben wir zum Publikum gehen. Auch wenn‘s weh tut.“

Na dann, viel Spaß. Notfalls funktioniert die Vermittlung von Propag… äh einordnendem Wissen auch durch Zwang, hatten wir in Österreich und Deutschland ja schon öfter.


PS: Wolf, der gerne kritisiert, ist sehr zimperlich wenn er selbst in den Fokus der Kritik gerät. „Die Headline könnte allerdings auch von 1961 sein. #Feuernacht“, hatte er im November 2015 auf Twitter geschrieben. Darunter ein Link zu einem Artikel, wo es um die Aufdeckung eines internationalen Terrornetzwerks in Südtirol geht. Wolf spielte auf die sogenannte „Feuernacht“ vom 11. Auf den 12. Juni 1961 an, in der 37 Strommasten in Südtirol gesprengt wurden.

Der ORF-Journalist verglich islamistische Terrornetzwerke mit den Südtiroler Freiheitskämpfern der 50er und 60er Jahre. Der Vergleich hinkte nicht nur auf beiden Beinen, er verharmloste auch die von radikalen Moslems begangenen Terroranschläge und verhöhnte deren Opfer. Denn die Freiheitskämpfer in Tirol legten stets großen Wert darauf, Menschenleben zu verschonen.

Nachdem ich dies in einem Kommentar auf dem Südtiroler Online-Portal Unsertirol24 formuliert hatte, machte Wolf den Beitrag schlecht und blockierte mich auf Twitter.