Nachstehend findet sich meine Stellungnahme als Sachverständiger im sächsischen Landtag zum Antrag „Für einen regierungskritischen, unabhängigen und objektiven Journalismus in Sachsen – Transparenz bei der Moderation von Regierungsveranstaltungen durch Journalisten schaffen“, die ich in der Anhörung am 15. Mai 2023 in Dresden abgegeben habe.

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Sehr geehrte Frau Vorsitzende, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, verehrte Kollegen, vielen Dank für die Möglichkeit, hier sprechen zu dürfen. Kurz zu mir: Ich stamme aus Südtirol und habe dort vor knapp zehn Jahren das erste Gesamttiroler Nachrichtenportal, UnserTirol24, mitgegründet. Aktuell bin ich als Chefredakteur des vor wenigen Monaten gegründeten Onlinemagazins Corrigenda tätig.

Ich bin zwar kein deutscher Staatsbürger, aber als hier in Deutschland Lebender und als Steuerzahler und natürlich als Journalist freut es mich, dass sich sowohl die Antragsteller als auch die Staatsregierung einig sind, dass ein unabhängiger, kritischer Journalismus eine systemrelevante Stellung in einer freiheitlichen Demokratie innehat.

Ergänzen möchte ich noch, weil sich gemäß Umfragen wie dem Freiheitsindex des Allensbach-Instituts immer mehr Menschen in Deutschland unfrei fühlen, dass die freie Presse schlussendlich das demokratische Werkzeug der Freiheit ist, wie Alexis de Tocqueville in seiner Studie „Über die Demokratie in Amerika“ notierte. Zitat: „Je mehr ich die Freiheit der Presse in ihrer Hauptwirkung betrachte, um so klarer wird es mir, dass in der Gegenwart die Pressefreiheit der wesentliche Baustein, sozusagen der erste Grund der Freiheit ist. Ein Volk, das frei bleiben will, hat daher das Recht, zu fordern, dass man Pressefreiheit unter allen Umständen achtet.“

Das Bundesverfassungsgericht wies in seinem „Spiegel-Urteil“ darauf hin: „Eine freie, nicht von der öffentlichen Gewalt gelenkte, keiner Zensur unterworfene Presse ist ein Wesenselement des freiheitlichen Staates; insbesondere ist eine freie, regelmäßig erscheinende politische Presse für die moderne Demokratie unentbehrlich.“

Das Thema des Antrags ist komplex. Zum einen bedarf es nämlich zweier Akteure – Regierungen, Politiker, Behörden usw. auf der einen, und Journalisten auf der anderen Seite. Zum anderen besteht ganz offensichtlich auf beiden Seiten Uneinigkeit darüber, ob von der Regierung zu PR-Zwecken eingespannte Journalisten das Vertrauen in die Presse, die, wie wir festgestellt haben, für eine freiheitliche Demokratie unabdingbar ist, beschädigen können.

Also habe ich das getan, was man in meinem Beruf üblicherweise macht, und habe recherchiert. Unter den Journalistenkollegen herrschte große Einigkeit darüber, dass die Glaubwürdigkeit, die Unabhängigkeit und das Vertrauen unser höchstes Gut sind. Und wir sollten alles unterlassen, was dieses Gut beschädigen kann. Alle gaben an, sie würden nicht für Regierung oder Behörden arbeiten wollen.

Interessant sind die Aussagen verschiedener Experten. Volker Lilienthal, Prof. für „Praxis des Qualitätsjournalismus“ an der Uni Hamburg, wies mich auf seinen Beitrag im Fachmagazin epd Medien hin. Darin schreibt er in Bezug auf die Nebentätigkeiten von Journalisten für die Regierung: „Es geht um den Staat. Und da es davon hierzulande nur einen gibt und es das höchste und wichtigste Mandat von Journalisten ist, Regierungshandeln zu kontrollieren, kann es keinen Rabatt auf diese Distanznorm geben.“

Die Höhe der Honorare, schreibt er in Bezug auf die durch eine Anfrage der AfD im Bundestag zutage beförderten Zahlen von durchschnittlich 4.500 Euro, bewege sich auf einem viel höheren Niveau, als dass es im Journalismus üblich sei.

Und dann wird er deutlich – dazu muss man wissen, dass Prof. Lilienthal alles andere als ein Gegner des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und alles andere als ein AfD-Anhänger ist:

Diese Fälle seien „nicht nur eine Blamage für den Journalismus, sondern ebenso für die regierungsamtliche Öffentlichkeitsarbeit. Wären deren Akteure professionell, hätten sie einen Blick auf die Rollenkonflikte geworfen, in die man Journalisten mit bezahlten Regierungsaufträgen bringt. Hat niemand gesehen, dass die kumpelhafte Praxis beiden Partnern auf die Füße fallen kann? An dieser Stelle Respekt und Vorsicht vermissen zu lassen, ist mindestens Gedankenlosigkeit.“

Natürlich sind auch die Sender in der Pflicht: Der WDR zählt in seinen Dienstanweisungen für nebenberufliche Tätigkeiten allerhand auf, aber Behörden und Regierungen tauchen nicht auf.

Lilienthal warnt explizit: Der ÖRR genießt bei signifikanten Bevölkerungsteilen kein Vertrauen mehr, es gibt Vorwürfe der Lügenpresse usw. Diese sollten nicht durch doppeldeutiges und zweifelhaftes Tun befeuert werden.

Dann habe ich PR-Professor Lars Rademacher von der Hochschule Darmstadt kontaktiert. Er hat zufälligerweise erst vor wenigen Tagen eine Replik auf Lilienthals Äußerungen veröffentlicht: Rademacher fordert mehr Fingerspitzengefühl bei allen Beteiligten. Anderenfalls stehe die grundsätzliche Glaubwürdigkeit und Unabhängigkeit des Journalismus infrage. „Und daran hat auch die PR tatsächlich kein Interesse. Denn ohne unabhängigen Journalismus keine effektive PR“.

Er schlägt vor, dass Regierungen künftig freiwillig Auftragslisten „in einem Jahresbericht mit Nennung von Namen und Beträgen“ veröffentlichen. „Unternehmen wie beispielsweise Munich Re haben es in der Vergangenheit bereits vorgemacht, indem sie aufgelistet haben, mit welchen Journalisten sie in einem Berichtsjahr intensiv zusammengearbeitet haben.“

„Wenn klar ist, dass sie am Ende in einem solchen Bericht auftauchen, werden sicher auch die betreffenden Journalisten penibel darauf achten, dass sie nur Aufträge mit genügend Distanz zu ihrem Kerngeschäft annehmen.“

Eine andere Sicht vertritt Christian Hoffmann, Prof. für Kommunikationsmangagement an der Uni Leipzig. Er sagte mir auf Anfrage, er bezweifle, dass Nebentätigkeiten, über die wir hier sprechen, der Glaubwürdigkeit von Journalisten generell schaden würden. Schlicht weil kaum jemand davon Kenntnis nähme. „Ich würde auch vermuten, dass die meisten Bürger sogar die aktuelle mediale Debatte um Nebentätigkeiten von ÖRR-Journalisten nicht mitbekommen haben.“

In dem Punkt stimme ich ihm zu. Doch das kann sich jederzeit ändern. In Zeiten von Social-Media können Empörungswellen sehr schnell hochfahren und heftig ausfallen.

In dem Antrag heißt es, die Staatsregierung solle die Beauftragung von Journalisten öffentlich und transparent bekanntgeben. Ähnliches fordert ja auch Prof. Rademacher nach dem Vorbild von Unternehmen.

Wie ich der Stellungnahem der Staatsregierung entnehmen konnte, sieht sie allerdings kein Transparenzproblem. Es tut mir leid, aber dabei kommt mir der Verdacht auf, die Staatsregierung möchte eine gut geölte polit-mediale Maschinerie schützen, mit der bisher beide Seiten – Regierung und willige Journalisten – gut gefahren sind.

Wie wir aus der Bundestagsanfrage wissen, gab es eine Moderatorin, die 16-mal von der Bundesregierung verpflichtet wurde. Das klingt nach System. In Hamburg haben Journalisten Reden für die Senatskanzlei geschrieben, in Sachsen hat eine Anfrage zutage befördert, dass eine Journalistin Regierungsaufträge bekommen hat, die auch über politische Themen berichtet.

Ich halte eine möglichst große Transparenz für zwingend notwendig. Das Vertrauen in und die Glaubwürdigkeit von Journalisten darf nicht noch weiter strapaziert werden – dafür müssen beide Seiten Sorge tragen. Wir wissen aus zahlreichen Umfragen der vergangenen Jahre, dass das Vertrauen – auch in den öffentlich-rechtlichen Rundfunk – gesunken ist. Ich möchte nur zwei erwähnen:

Jeder vierte Deutsche vertraut politischen Nachrichten in den ÖRR-Medien nicht, wie eine im März veröffentlichte Umfrage von Infratest dimap im Auftrag der Konrad-Adenauer-Stiftung ergab. Vor allem in den östlichen Bundesländern ist das Vertrauen gering.

Eine Umfrage der Universität Bielefeld vom vergangenen Jahr ergab: Gerade auch bei Jugendlichen ist das Vertrauen in Journalisten gering. Ganze 75 Prozent misstrauen Medien. Fast 4 von 10 Jugendliche glauben gar, Journalisten hielten wichtige Informationen absichtlich zurück.

Journalisten sollten sich auf ihr Kerngeschäft konzentrieren. Und nicht für die Regierung arbeiten. Vor allem jene des ÖRR, der eine Sonderstellung innehat: staatsfern und nicht vollumfänglich dem Wettbewerb ausgesetzt ist.

Guter Journalismus wird auch künftig wichtig sein, mehr noch, er wird noch wichtiger werden. Durch die künstliche Intelligenz wird es eine massive Zunahme an Inhalten geben, demzufolge auch von Falschnachrichten und Desinformation von verschiedenen Seiten.

Es bedarf also dringender denn je vertrauensvollem, glaubwürdigem und wahrhaftigem Journalismus. Parteien und Politiker, vor allem die in Regierungsverantwortung, sollten keine Gelegenheiten und Versuchungen schaffen, dass dieser Journalismus beschädigt wird und seiner Funktion nicht mehr nachkommen kann.