Seit Mittwoch ist der Bild-Ableger Noizz online. Lauter soll es sein und viel mehr Krach machen soll das Jugendportal, ließen die Macher via Branchendienst Meedia verkünden. Neugierig wie ein Journalist eben so ist, habe ich mir das Lifestyle-Portal einmal näher angeschaut. Bei der taz würde man sagen, „damit ihr es nicht tun müßt“.
Hat Deutschland ein weiteres Magazin nötig, das sich an urbane Menschen richtet? „Noizz ist eine neue Marke, mit der wir Menschen ansprechen möchten, die sich für urbanen Lifestyle interessieren“, kündigt Manuel Lorenz in einem Werbevideo an. „Das heißt, die sich im Städtischen wohlfühlen und sich für all die Themen interessieren, die dort eine Rolle spielen.“
Aufgebaut ist die Seite schlicht. Sie soll schnell sein, übersichtlich und bildlich ansprechend. Sowohl auf dem Desktop als auch auf dem Smartphone dominieren große Beitragsbilder und lange Überschriften die Optik. Teaser sind kurz gehalten und mobil überhaupt nicht vorhanden. Unterschiede zu Vice, Bento und anderen Konkurrenten gibt es auf den ersten Blick nicht.
Nach Mittag warf ich einen ersten Blick auf die Seite. Neugierig gemacht hatte mich vor allem Daniel Böckings (stellvertretender Bild-Online-Chefredakteur) Aussage: „Darüber hinaus ist sie persönlich und meinungsstark und orientiert sich nicht zwingend an klassischen journalistischen Darstellungsformen.“
Als einen der beiden Hauptbeiträge las ich: „Ich find’s kraß, daß Frauen immer noch weniger verdienen als Männer“. Ein nicht nur meinungsvollgeladener Beitrag gegen angebliche Lohndiskriminierung. Sondern auch ein Kommentar mit sehr viel „ich“. „Das möchte ich an der Stelle gerne einmal in meine Sprache übersetzen.“
Oder: „Umso ärgerlicher macht mich dann noch der Versuch des Richters, diese Unterschiede schön zu reden.“ Und sprachlich, naja, lesen Sie selbst: „Vor Gericht hat Birte Meier dann auch ordentlich eine vom Richter reingedrückt bekommen.“
Der Artikel ist für ein Magazin sehr kurz. Das ist offenbar so gewollt. Denn auch der Beitrag über einen homosexuellen Einwanderer fällt nicht lang aus. Überschrift: „Ahmed, 22: ‚Als schwuler Flüchtling kann ich mich in Deutschland endlich outen‘“. Über Inhalt und Stil soll an dieser Stelle nicht weiter gesprochen werden.
Weitere Beiträgen tragen Titel wie: „Wir haben herausgefunden, daß keine Asia-Nudel-Box so ist wie die andere“; „Warum Beyoncé und andere Promis dauernd Zwillinge bekommen“ oder „Ja, der US-‚Bachelor‘ ist noch kitschiger als der deutsche“.
Vergangene Woche traf ich einen erfahrenen Journalisten einer großen deutschen Zeitung. Er beschrieb die meisten Redakteure in seinem Unternehmen als Stadtmenschen, die in ihrer Zweieinhalb-Zimmer-Wohnung glücklich zu werden versuchen und sich durch und mit dem urbanen Lifestyle von der Landbevölkerung zusehends abschotten. Das sei ein gewichtiges Problem, warum die Zeitung auflagenmäßig untergeht, unterstrich er. Ein wichtiger Teil der Deutschen fühle sich durch seine Zeitung nicht mehr angesprochen.
Warum gerade jetzt der Zeitpunkt gekommen sein soll, um ein weiteres, inhaltlich und stilistisch an sogenannte Millennials gewandtes Magazin zu launchen, erschließt sich mir nicht. Denn selbst altgediente Printmagazine und Zeitungen widmen sich viel zu oft ähnlichen Themen, die selbst Menschen, die in der Stadt leben und vom Land kommen – und das sind viele, die potentiell Magazine lesen -, nicht interessiert.
Vielleicht täusche ich mich auch und der Erfolg wird Böcking und Lorenz Recht geben.
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Beitragsbild: Screenshot/noizz.de