„Die Weltgeschichte ist nicht der Boden des Glücks. Die Perioden des Glücks sind leere Blätter in ihr“, notierte weiland Hegel, der sicherlich auch in keinen langweiligen Zeiten lebte. Aber uns, die wir uns im Jahr 2020 in einem Land befinden, in dem man gut und gerne lebt, wie eine Volkspartei mit immer weniger Volk behauptete, scheint die Weltgeschichte fest im Griff zu halten.

An der türkisch-griechischen Grenze kämpfen Grenzschützer und Polizisten auf beiden Seiten um die dortige Hoheit, je nach Ausgang mit den entsprechenden Folgen für Deutschland. Der digitale Wandel und vor allem die einseitige ökologische Fokussierung vieler Politiker bedroht Wohlstand und wirtschaftliche Prosperität, freilich nicht auf der ganzen Welt, sondern Deutschland und damit Europa. Und nahezu überall auf der Welt müssen Regierungen und Bürger mit dem Coronavirus umgehen.

Beschäftigen wir uns heute mit letzterem, mit Sars-CoV-2, einem neuartigen Coronavirus, das die Krankheit Covid-19 verursacht. Ein Bekannter aus Südtirol schrieb unter viel Zuspruch auf seiner Facebook-Seite: „Lassen wir mal den effektiven Verlauf dieser uns vermeintlich alle zerstörende Krankheit, namens Corona, welche einer Grippe gleichkommt, außen vor: Geht es euch noch gut?“ Gemeint waren das Robert-Koch-Institut (RKI) und deutsche Medien, vor allem die Bild-Zeitung. Warum seine wutunterlegte Frage? Weil das RKI Ende dieser Woche Südtirol als „Risikogebiet“ eingestuft hatte und zig Zeitungen darüber ganz groß berichteten. Jeder kann sich denken, was solche psychologisch eindringlichen wirkenden Schlagzeilen in Deutschland für Auswirkungen auf den Südtiroler Tourismus haben.

Die Südtiroler toben zurecht

Ein anderer Bekannter berichtete von seinem Schwager in München, der seit Monaten nicht mehr in Südtirol gewesen war, sich also unmöglich mit dem Virus anstecken konnte, aber jetzt an seinem Arbeitsplatz in München gezwungen wurde, im Heimbüro zu arbeiten, nur weil er die „falsche“ Herkunft hat. „Die Deutschen sind nach wie vor die größten Rassisten auf diesem Planeten“, kommentierte der Bekannte. Auf Großveranstaltungen waren Südtiroler zeitweise zu unerwünschten Personen erklärt worden.

Nun, man sollte nicht auf den Überbringer der Botschaften, also die Medien, einknüppeln. Die plappern im Zweifel nur das nach, was die Behörden mitteilen. Natürlich sollte man von Journalisten erwarten können, daß sie eins und eins zusammenzählen können, daß ihnen einleuchten müßte, daß ein Land mit 500.000 Einwohnern und mit zum damaligen Zeitpunkt nur einem bestätigten Fall. In Südtirol tobt man zurecht.

Draufhauen darf man indes auf die politisch Verantwortlichen – südlich und nördlich des Brenners. Denn wofür ist der Staat da? Der Staat ist dazu da, kontinuierliche Rahmenbedingungen zu garantieren, in denen die Staatsbürger ihr Leben leben, ihrer Arbeit und ihren Unternehmungen nachgehen können. Er sollte dabei sehr umsichtig vorgehen, schließlich sind die Unternehmer und ihre Mitarbeiter es, die den Laden am Laufen halten.

Für Unternehmer ist Planungssicherheit etwas vom wichtigsten. Selbst wenn schlechte Zeiten kommen, selbst wenn eine virusbedingte Flaute erwartet wird – wenn er weiß, daß sie kommt, wie stark der Staat eingreifen muß, um die Krise in den Griff zu bekommen, kann er sich danach richten und sich anpassen.

Ungewißheit bedeutet Unfreiheit

Ungewißheit hingegen bedeutet Unfreiheit und Unwirtschaftlichkeit, weil der Unternehmer sich auf alles gefaßt machen muß und dabei zwangsläufig wichtige, profitable und wertschöpfende Tätigkeiten ausbleiben.

Von Anfang an reagierten die mitteleuropäischen Staaten sehr unterschiedlich auf die Corona-Ausbreitung. Auffallend war und ist aber Deutschland. Während Italien und die Schweiz etwa relativ früh drastische Maßnahmen ergriffen und etwa Großveranstaltungen untersagten, während deutsche Institute, Behörden und Medien Südtirol zum Risikogebiet erklärten, waren und sind in Deutschland Großveranstaltungen sogar in geschlossenen Räumen noch immer erlaubt. Und das, obwohl Südtirol wie anfangs erwähnt, von den Folgen des Virus nach wie vor nur in geringem Maße betroffen ist. Es gibt nach Stand Sonntag nur einen schwerer verlaufenden Fall.

Italienische Behörden realisierten sofort, daß eine größere Ausbreitung das Gesundheitssystem überfordern würde. Seit dem heutigen Sonntag sind die Lombardei und mehrere Provinzen anderer Regionen praktisch abgeriegelt, man darf abgesehen von begründbaren Ausnahmen weder rein noch raus.

Wie sinnvoll dies ist, wird sich erst später zeigen. In den vergangenen Tagen hatte das Virus schließlich genug Zeit, sich auszubreiten und dann in rund zwei Wochen auszubrechen, auch bei Personen, die sich längst in anderen Teilen Italiens befinden. Im besten Fall verlangsamt die groß angelegte Quarantäne die Ausbreitung und entlastet Ärzte und Krankenhäuser.

Dem Bürger und Beobachter in Deutschland dürfte das bis heute alles sehr hysterisch vorgekommen sein. Schließlich zeigte sich Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) ziemlich gelassen, ja geradezu ungewöhnlich cool. Bis heute. Vor wenigen Stunden empfahl er, alle Veranstaltungen mit mehr als 1.000 Teilnehmern abzusagen.

Auch wenn das Virus für die allermeisten Personen nicht tödlich ist, weiß jeder, der sich einmal mit Ärzten unterhalten hat, wie schlimm es in einigen Regionen Deutschlands um das Gesundheitssystem bestellt ist. Eine Medizinerin aus Vorpommern erzählte mir, die Kreisklinik sei auch in normalen Zeiten schon personell und sogar materiell überfordert. Und Hausärzte, von denen es in der Region viel zu wenige gebe, sowieso. Wenn in einem Kreis auf einem Schlag mehrere Dutzend oder gar Hundert Menschen krank werden und manche mehr, manche weniger intensiv und lang behandelt werden müssen, könne das schnell ausarten. Zumal die Grippe in diesem Jahr besonders hartnäckig sein soll.

Gerade Deutschland!

Aber auch die wirtschaftlichen Folgen könnten Deutschland schwer treffen. Vielleicht sogar erst dann, wenn in China die ersten Fabriken wieder ihre vollständige Arbeit aufnehmen. Spätestens wenn großflächig Kurzarbeit oder gar unbezahlter Urlaub angeordnet wird, weil die Produktionsketten etwa aufgrund von Quarantänen unterbrochen sind, werden auch die lockersten CDU-Anhänger erkennen, daß ihre Oberen die Lage völlig falsch eingeschätzt haben.

Gerade Deutschland! Das Land, in dem es den ersten bestätigten europäischen Corona-Fall gab. Die italienische Tageszeitung Corriere della Sera warf am Freitag zurecht die Frage auf, warum die deutschen Ärzte, die den Fall entdeckt hatten, ihre Erkenntnisse in einem englischsprachigen Fachblatt kundgetan hatten und aufgrund der Erfahrungen in China nicht bei deutschen Behörden und Ämtern. Oder haben die Ärzte das doch gemeldet, die Behörden und die Politik aber geschlafen? Das erinnert an den chinesischen Arzt, der die Behörden vor dem Virus warnte, und Anfang Februar selbst starb.

Ich möchte an dieser Stelle aber auch nicht die italienischen Politiker freisprechen, die derzeit ernsthaft darüber nachdenken, Hotels, Altenheime und ähnliche Einrichtungen für einige Zeit zwangszuschließen. Das wäre wirtschaftlicher Wahnsinn! Und aus freiheitlicher Sicht unübertrieben die Hölle.

Eigenverantwortung statt Eil-Dekrete

Vertraut die Regierung dem Bürger so wenig, daß sie tatsächlich derart drastische Maßnahmen überlegt? Statt radikale Dekrete zu erlassen, sollte sie an das Verantwortungsbewußtsein des Einzelnen appellieren. Laut italienischem Gesundheitsministerium liegt das Durchschnittsalter der an Corona gestorbenen Personen bei 81. Wenn jeder weiß, daß er theoretisch mit dem Virus infiziert sein könnte, er aber als junger, gesunder Mensch keine Symptome zeigt, dann wird er entsprechend vorsichtig sein, wenn er seine Großeltern besucht.

Eigenverantwortung ist tausendmal mehr wert als jedes eilig beschlossene Dekret. Die Regierungen sollten ihren Bürgern mehr vertrauen – die Bürger den Regierungen aber umso weniger. Denn wir sehen, wohin ihre (Nicht-)Entscheidungen führen können.