Herz-Jesu in Tirol ist einer der schönsten, wenn nicht der schönste Brauch im heil’gen Land. Er verbindet Katholizismus und lokalen Patriotismus so harmonisch wie unsere Spitzenköche das Knödelbrot mit Speck und Rindsgulasch. Zumeist am zweiten Sonntag nach Fronleichnam (aufgrund der Zusammenlegung der Gemeinden heute manchmal auch am Samstag) findet die Herz-Jesu-Prozession statt. Wir Katholiken verehren das Heiligste Herz Jesu: „Aus seiner geöffneten Seite strömen Blut und Wasser, aus seinem durchbohrten Herzen entspringen die Sakramente der Kirche. Das Herz des Erlösers steht offen für alle, damit sie freudig schöpfen aus den Quellen des Heiles.“

In Niederdorf, einem 1.600 Seelen großen Ort im Hochpustertal, sah das wie folgt aus: Hunderte beteiligten sich an der Prozession, trugen fünf große und mehrere kleine Fahnen, mehrere Altäre und der Pfarrer natürlich das Allerheiligste durchs Dorf. Die Musikkapelle blies und trommelte, die Schützen marschierten und feuerten am letzten Dorfaltar eine General-de-Charge, eine Ehrensalve, ab. Auch zahlreiche Kinder waren dabei, direkt hinter dem Pfarrer und den Ministranten trugen die diesjährigen Erstkommunionkinder christliche Symbole in den Händen. Das ganze Wochenende über zierten hell strahlende Tiroler Fahnen zahlreiche Hausfassaden.

Waren der spirituelle Höhepunkt des Wochenendes die Messe und die Prozession, ist es in Sachen Brauchtum das Feuermachen. Die Tradition der Tiroler Herz-Jesu-Feuer geht auf das Jahr 1796 zurück: Napoleonische Truppen marschierten an den Pforten des „Heil’gen Landes Tirol“ auf. Die Landstände versetzten Tirol in Kriegsbereitschaft. Der 24 Mitglieder umfassende Ausschuß beriet sich von Ende Mai bis Anfang Juni in Bozen und griff den Vorschlag von Pfarrer Anton Paufler auf, Feuer auf den Bergen zu entzünden und so um den Beistand Gottes zu bitten.

Die Tiroler vertrauten ihr Land dem „Heiligsten Herzen Jesu“ an. In einer klaren Juni-Nacht erleuchteten dann meterhohe, hell strahlende Feuer die bis zu 4.000 Meter hohen Gipfel. Der Tiroler Landsturm erhielt einen bis dahin noch nie dagewesenen Zustrom an Freiwilligen, um sich den französischen Invasoren entgegenzustellen. Diese hatten zuvor ein österreichisch-piemontesisches Armeekorps bezwungen und schritten im Italienfeldzug auch gen Tirol vor.

Der Brauch eint aber nicht nur das auseinandergerissene Tirol

Herz-Jesu-Prozession in Niederdorf Fotos: Lukas Steinwandter

13 Jahre später erneuerten die Tiroler Schützen unter dem Oberkommando von „Sandwirt“ Andreas Hofer den Schwur auf das Heiligste Herz Jesu. Wieder schimmerten die stolzen Höhen hellrot. Der Tiroler Aufstand errang drei Siege gegen das übermächtige bayerisch-französische Heer und befreite das kleine Land von den Besatzern. Erst im Spätherbst 1809 konnte Tirol erneut besetzt werden, bis es nach der Niederlage Napoleons 1814 wieder an Österreich zurückfiel.

Herz-Jesu-Prozession in Niederdorf

Der Brauch eint aber nicht nur das 1919 auseinandergerissene Tirol. Er bringt auch Jung und Alt, Schüler, Studenten, Handwerker und Akademiker, Wohlhabende und weniger Wohlhabende zusammen. Wenn Linke wie Rechte heute die Atomisierung der Gesellschaft beklagen – erstere sehen das Klassenkollektiv in Auflösung, letztere die Familie und den sozialen Zusammenalt – dann gibt es dagegen ein sehr wirksames Mittel, das völlig nebenwirkungsfrei hilft: katholisches, patriotisches Brauchtum.

„Auf zum Schwur Tiroler Land“

Als jemand, der derzeit die meiste Zeit des Jahres in der anonymen Großstadt verbringen muß, war es mir eine besondere Freude, Teil dieses lebendigen, pulsierenden Spektakels zu sein. Faszinierende Fotos der Herz-Jesu-Feuer gibt’s hier, hier und hier. Wir hatten ein Herzkreuz sowie zwei große Einzelfeuer gemacht, die aber nachts mit dem Handy unmöglich zu photographieren sind.

Freilich empfehle ich jedem Leser, die „brennenden“ Berge selbst einmal zu bewundern. Sie leuchten auch im kommenden Jahr wieder. Derweil klingt der Hall von „Auf zum Schwur“ hoffentlich auch in den weitest entfernten Ecken nach:

Herz-Jesu-Feuer

Auf zum Schwur, Tiroler Land,
heb zum Himmel Herz und Hand!
Was die Väter einst gelobt,
da der Kriegssturm sie umtobt:
Das geloben wir aufs Neue:
Jesu Herz, dir ew‘ge Treue!
Das geloben wir aufs Neue:
Jesu Herz, dir ew‘ge Treue!

Fest und stark zu unserm Gott
stehen wir trotz Hohn und Spott;
fest am Glauben halten wir,
unsres Landes schönster Zier.
Drum geloben wir aufs Neue:
Jesu Herz, dir ew‘ge Treue!
Drum geloben wir aufs Neue:
Jesu Herz, dir ew‘ge Treue! 

Auf dem weiten Erdenrund
gibt es keinen schönern Bund.
Lästern uns die Feinde auch,
Treue ist Tiroler Brauch.
Drum geloben wir aufs Neue:
Jesu Herz, dir ew‘ge Treue!
Drum geloben wir aufs Neue:
Jesu Herz, dir ew‘ge Treue!


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