Dieser Beitrag erschien zuerst im Magazin „Der Burschenschafter“ (Heft 1/2019).

„Passo della Mendola – 1.363 metri sopra il mare“ steht auf dem Schild am Gebirgspaß oberhalb der Trentiner Orte Caverno und Ruffré. Wer von Süden kommt, für den endet hier Italien. Zwar nicht geografisch und politisch, aber kulturell und sprachlich. Eine Tafel weiter kündigt an: Hier beginnt die Autonome Provinz Bozen – Südtirol. Auf Deutsch heißt die seit alters her wichtige Anhöhe Mendelpaß. Er liegt oberhalb des Weindorfes Kaltern, 15 Kilometer südwestlich der Landeshauptstadt Bozen. Vor 100 Jahren marschierten über die serpentinengesäumte Straße die ersten italienischen Soldaten nach Bozen.

Der Erste Weltkrieg war mit dem Waffenstillstand zwischen Österreich-Ungarn und Italien beziehungsweise der Entente am 3. November 1918 für die Tiroler zu Ende gegangen. Der Kampf um die Heimat setzte sich jedoch fort. Denn die Italiener waren gekommen, um zu bleiben und schafften mit dem Einmarsch der Soldaten und der faktischen Annexion des südlichen Tiroler Landesteils Fakten.

Die Sonne strahlt hier, am Gebirgspaß, mit dem hellen Blau des Himmels um die Wette. Südtirol präsentiert sich von seiner schönsten Seite. An dieser kulturellen Grenze zwischen Südtirol und Italien steht an diesem Wintertag Elmar Thaler. Der Montaner, Jahrgang 1975, ist seit 2011 Landeskommandant des Südtiroler Schützenbundes*. Fragt man ihn, wie es um die Tiroler südlich des Brenners nach 100 Jahren Zugehörigkeit zum fremden Staat Italien bestellt ist, erhält man eine gleichsam nüchtern-realistische wie optimistische Antwort: Ja, Tirol ist gespalten – aber dennoch glaubt er an die Einheit.

Sepp-Kerschbaumer-Gedenkfeier 2019

Sepp-Kerschbaumer-Gedenkfeier 2019 Foto: schuetzen.com

Mehr als 1.000 Jahre deutsche Zunge

Ein Jahr nach der Besetzung Südtirols wurde im Spätsommer 1919 mit dem Vertrag von Saint Germain die Brennergrenze, nur 38 Kilometer südlich von Innsbruck, festgelegt. Italien erhielt damit den Lohn für seinen Kriegseintritt 1915 auf der Seite der Entente. Trotz des vom amerikanischen Präsidenten Woodrow Wilson verkündeten Selbstbestimmungsrechts der Völker wurde dies den Südtirolern verwehrt. Ihr Land, das Alpenjuwel, wurde Italien zugesprochen, obwohl es mehr als 500 Jahre zu Österreich gehört hatte, in dem mehr als 1.000 Jahre die deutsche Zunge prägend war und das zu dieser Zeit fast ausschließlich von Tirolern deutscher Muttersprache bewohnt war.

„Die vergangenen 100 Jahre haben Tirol auseinandergerissen“, klagt Elmar Thaler. „Wenn man keine alltäglichen Anknüpfungspunkte mehr hat, dann lebt man sich einfach auseinander.“ Als Beispiel nennt er so profane Institutionen wie eine andere Verwaltung, ein anderes Steuersystem, wenn Politiker andere sind, es eine andere ärztliche Versorgung gibt. Oder beim Sport: „Der Nordtiroler hält zu dieser Mannschaft, der Südtiroler zu jener diesseits der Grenze und plötzlich sind sie Gegner.“ Alles was bleibe, sei eine ideelle Gemeinsamkeit. „Und die ist bei manchen eben weniger, bei manchen mehr ausgeprägt.“

Plötzlich Minderheit

Diese Gemeinsamkeit, dieses Zusammengehörigkeitsgefühl gründet nicht nur auf der Erinnerung an die Freiheitskämpfe von 1809, in denen sich die Tiroler auf heldenhaft-tragische Weise gegen die Übermacht von Truppen aus Bayern und dem napoleonischen Frankreich erwehrten und scheiterten. Die führenden Protagonisten kamen aus dem südlichen Teil Tirols. Allen voran Oberkommandant Andreas Hofer aus dem Passeiertal, Feldpater Joachim Haspinger aus Gsies und Peter Mayr vom Ritten ¬– heute drei Touristenhochburgen, in denen man den Spuren der Freiheitskämpfer folgen kann. Das Verbundenheitsgefühl ist aber auch eng verknüpft mit den Folgen der jüngsten Geschichte, die bis in das alltägliche Leben der Gegenwart stark hineinwirken. Die Südtiroler waren nach dem Ersten Weltkrieg plötzlich eine Minderheit und wurden auf brutale Weise unterdrückt.

Geknechtet, von Th. Walch

Geknechtet, von Th. Walch

Nachdem 1922 Benito Mussolini an die Macht kam, hieß die Parole: Italianisierung und Entnationalisierung der Südtiroler um jeden Preis. Der fanatische Nationalist Ettore Tolomei, der sich alsbald als der „Totengräber“ Südtirols einen Namen machte, lieferte den ideologischen Unterbau. In geschichtsfälschender Weise begründete er seinen Italianisierungswahn damit, daß das Tirol südlich des Brenners ursprünglich „italienisch“ gewesen sei und die „fremden Eindringlinge“ assimiliert oder vertrieben gehörten. Gleich zu Beginn ihrer Maßnahmen setzten die Faschisten an einem der identitätsstiftendsten Merkmale eines Volkes überhaut an: der Sprache. Der Name „Tirol“ und all seine Ableitungen und Verbindungen wurden verboten. Aus „Südtirol“ wurde „Alto Adige“, das „Oberetsch“. Orts- und Flurnamen benannten die Faschisten in teils hanebüchener Weise um, indem sie sie entweder schlecht übersetzten oder durch italienische Fantasienamen ersetzten. Selbst vor Familiennamen und Gräbern machte der Totengräber nicht halt.

Ein kleines Volk gegen eine Übermacht

Bereits 1923 wurde Deutsch als Unterrichtssprache verboten, die deutsche Volksschule nach und nach abgeschafft. Auch in Kindergärten und höheren Schulen war Italienisch fortan die einzige erlaubte Sprache. Die einheimischen Lehrer wurden entweder entlassen oder nach Süditalien zwangsversetzt. Auch der Südtiroler Wirtschaft, insbesondere der prägenden Landwirtschaft, sollte der Garaus gemacht werden. Zentrale Verbände, Bünde und Gewerkschaften wurden zerschlagen. Die Faschisten setzten das Tiroler Höfegesetz außer Kraft. Die Regelung sorgte bis dahin dafür, daß die Teilung von Höfen verhindert und die geschlossene Erbfolge garantiert war. Mit der Maßnahme sollten die Grundstücke zerstückelt und das Auskommen der Bauern unmöglich gemacht werden.

Jedoch: „Der von Rom erhoffte durchschlagende Erfolg blieb aus. Man hatte die Widerstandskraft der Südtiroler unterschätzt, mit der diese sich gegenüber dem Faschismus behaupteten. Aus den Südtirolern ließen sich nicht so einfach Italiener machen“, notierte der Historiker Rolf Steininger, der für seine kritischen Bemerkungen über die Südtiroler Freiheitskämpfer bekannt ist.

Während der Unterdrückung durch die Faschisten war das geboren, was man heute als der „Mythos Südtirol“ bezeichnen könnte: Ein kleines, aber starkes Volk wehrt sich gegen die tyrannische Unterdrückung einer Übermacht. Denn obwohl Deutsch mit Ausnahme der Predigten in den Kirchen nun offiziell verboten worden war, lebte die deutsche Mundart weiter. In „Katakombenschulen“ (in Anlehnung an die Christenverfolgung im alten Rom) lehrten Männer und Frauen in Scheunen, Kellern und Dachböden die deutsche Sprache in Wort und Schrift. Den Lehrern dieses verbotenen Geheimschulnetzes drohten drastische Geld- und Gefängnisstrafen bis hin zur Verbannung in den Süden des Stiefelstaates. Doch die Südtiroler hielten zusammen.

Brutale Italianisierung

Freilich gaben die Faschisten nicht nach. Von Mitte der dreißiger Jahre an setzten sie auf eine neue Methode: Majorisierung. Durch eine massenweise Zuwanderung von Italienern sollten die Südtiroler zur Minderheit im eigenen Land werden. Diese Politik zeitigte rasch Erfolg: Gab es laut Steininger 1910 nur rund 6.950 Italiener in Südtirol, waren es 1939 bereits etwa 80.800 bei circa 235.000 Südtirolern.

Postkarte

Postkarte

Ein weiterer Schlag gegen die Tiroler südlich des Brenners kam mit dem Hitler-Mussolini-Abkommen. In der sogenannten Option sollten sich die Südtiroler 1939 entweder für den Verbleib in der Heimat oder für die Umsiedlung ins Deutsche Reich entscheiden. Die meisten entschieden sich fürs Auswandern. Die Nationalsozialisten hatten den Südtirolern Ländereien und Höfe versprochen, die der Schönheit Südtirols in nichts nachstehen sollten. Jenen, die dablieben, drohte dagegen Schikane und Italianisierung. Die Nazis streuten auch Gerüchte, wonach die Dableiber nach Sizilien umgesiedelt werden sollten. Von den 213.000 Südtirolern, die für die Aussiedlung gestimmt hatten, verließen 75.000 tatsächlich das Land. Der Zweite Weltkrieg unterband diese Pläne und einige der versprochenen neuen Siedlungsgebiete waren von den Nazis letztendlich nie erobert worden.

„Die Kriegspropaganda wirkt noch immer nach“

Doch auch nach Kriegsende wich die anfängliche Hoffnung der Südtiroler auf ein Los von Rom schnell bitterer Enttäuschung. „Die Italiener sind sehr emotionale Leute, die meisten kennen das sicher vom Sport. Und wenn sie einmal etwas haben, geben sie es nicht so schnell wieder her“, erklärt Landesschützenkommandant Thaler. „In Italien ist es so: Egal, welcher Partei du angehörst, ob du ein Linker bist, oder ein Rechter, ein, Grüner, ein Roter oder ein Schwarzer, oder was auch immer: Wenn es um Südtirol geht, dann ist das eine nationale Frage, und dann reagieren alle gleich, ganz genau gleich sensibel und hart.“ Betrachtet man die kleineren und größeren politischen Debatten in und um Südtirol, dann fällt auf: Das galt damals wie heute. Der Nationalstolz der Italiener ist ungleich größer als etwa der der Deutschen. Der eloquente Unterlandler Thaler vermutet: „Weil die Einigung Italiens bis 1871 durch Blut und Tränen erstritten werden mußte, halten sie heute in solchen Fragen total zusammen. Und die Kriegspropaganda des Ersten Weltkrieges, wonach es galt, weitere unerlöste Gebiete vom Fremden Joch zu befreien, wirkt noch immer nach.“

Tatsächlich existiert diese Haltung bei italienischen Politikern und Militärs immer noch. Der Kommandant der Alpini-Truppen, Claudio Berto, sagte Anfang November beim „Tag der Streitkräfte“ in Bozen, vor 100 Jahren sei „ein schönes Ziel erreicht worden und der vor langer Zeit geplante große Entwurf eines geeinten Italiens wurde  umgesetzt”. Empört darüber hatte sich nur der Südtiroler Schützenbund. Dabei genügt ein Vergleich mit Deutschland, um die Sprengkraft dieser Aussagen zu ermessen. Wie groß wäre die Aufregung, wenn ein Bundeswehr-Generalleutnant heute von „einem schönen Ziel“ sprechen würde, das „erreicht worden“ sei, wenn er an den Einmarsch in Polen erinnerte?

Der Mythos Südtirol lebt

Der Mythos Südtirol lebte auch nach dem Zweiten Weltkrieg weiter. Denn auch die Italianisierungsmaßnahmen taten dies – nur diesmal auf demokratischen Weg: Hatte man den Südtirolern 1946 vertraglich eine Autonomie zugesichert, so bekamen sie diese nur eingeschränkt. Italien gewährte die Sonderautonomie nicht der Provinz Südtirol, sondern der Region Trentino-Südtirol. Die Südtiroler waren in dieser Region – vergleichbar mit einem Bundesstaat – also in der Minderheit. Auch mit der Autonomie selbst ging es nur schleppend voran, was vor allem an Rom lag, wie auch internationale Vertreter vor allem aus England immer wieder feststellten.

Die nach dem Krieg gegründete Südtiroler Volkspartei (SVP), lange die einzige und heute noch die größte politische Kraft, wurde gar nicht erst zu den Beratungen über die Autonomie eingeladen, nur noch zur Debatte darüber, wenige Tage vor dem Beschluß. Der Begründer der Katakombenschulen, Kanonikus Michael Gamper, schrieb 1953 in der Tageszeitung Dolomiten: „Es ist ein Todesmarsch, auf dem wir Südtiroler uns seit 1945 befinden, wenn nicht noch in letzter Sekunde Rettung kommt.“

„Bumser“ und „Terroristen“

Diese Rettung zu sein glaubten die Männer des „Befreiungsausschuss Südtirol“ (BAS). In einer konzertierten Aktion in der Herz-Jesu-Nacht vom 11. auf den 12. Juni 1961 sprengten sie 37 Strommasten, die die oberitalienische Industrie lahmlegen sollten. Die als „Feuernacht“ bekannte Aktion bildete den Höhepunkt einer Reihe von Anschlägen der im Volksmund „Bumser“ genannten Freiheitskämpfer, die Italien als „Terroristen“ einstufte. Unterstützt wurden sie auch aus dem Vaterland Österreich und aus Deutschland.

Besonders hervor taten sich darin Burschenschafter. Laut der Politikwissenschaftlerin Judith Götz engagierten sich „mindestens die Hälfte der deutschnationalen Burschenschaften in der Südtirol-Frage“. Sie halfen etwa dabei, Sprengstoff über die Grenze zu schmuggeln, oder unterstützten den BAS mit Geld und Flugblättern. Italien reagierte mit harten polizeilichen und militärischen Maßnahmen bis hin zu Folter. Bis heute können die drei noch lebenden „Puschtra Buibm“ (Pustertaler Buben) nicht in ihre Heimat zurück.

Beschnittene Autonomie

Erst nachdem die Südtirol-Frage vom damaligen österreichischen Außenminister Bruno Kreisky zweimal vor die Uno geholt wurde, kam politisch Bewegung in die Sache. Hatte sie Rom bis dahin als „allein italienische Angelegenheit“ erachtet und danach verfahren, indem es die Rechte der Südtiroler nur äußerst restriktiv anwandte, stand es nun im internationalen Rampenlicht, und mußte am Verhandlungstisch nicht nur sitzen, sondern auch liefern. Das „Paket“, das zweite Autonomiestatut, trat 1972 in Kraft. Es dauerte allerdings noch weitere zwanzig Jahre, bis Österreich die auf zwei UN-Resolutionen fußende „Streitbeilegungserklärung“ abgab.

Seit 1992 besitzt die Region Trentino-Südtirol eine Autonomie, wenn auch eine deutlich ausbaufähigere. Entgegen Äußerungen aus der SVP-geführten Landesregierung nach dem Motto „Südtirol hat die weltbeste Autonomie, lernt von uns“ mangelt es Südtirol an Befugnissen in wichtigen Punkten. Südtirol hat keine Zuständigkeit für die innere Sicherheit, es existiert keine eigene Landespolizei; trotz Autonomie mangelt es am Konsumentenschutz: Packungsbeilagen von Medikamenten sind einsprachig italienisch. Südtirol hat überdies etwa keine eigenen Zuständigkeiten in Sachen Berufskammern oder Umweltschutz. Und die Umwelt mit ihren smaragdgrünen Seen, dem Weltnaturerbe Dolomiten, den klischeehaft schönen Almen, gesunden Wäldern und märchenhaften Bächen ist für Südtirol goldwert. Das Land registriert jährlich mehr als 30 Millionen Übernachtungen in rund 10.000 Beherbergungsbetrieben bei einer Einwohnerzahl von 525.000 Menschen (zwei Drittel sind deutschsprachig). Fast die Hälfte der Touristen kommt aus Deutschland.

Der Wunsch nach der Landeseinheit

Wie stark ist der Wunsch nach der Landeseinheit heute noch ausgeprägt? Und wie manifestiert sich dieser im alltäglichen Leben? „Protagonisten zum Thema Mythos Südtirol gibt es noch“, sagt Thaler. „Aber man findet sie eher unter der Decke als vordergründig.“ Man treffe sie nicht in der Öffentlichkeit, kaum in hohen öffentlichen Positionen und noch weniger in der Wirtschaft. „Sondern vielfach im Untergrund, da aber quer durch alle Bildungsschichten.“ Was er meint, zeigt etwa ein Beispiel aus dem Jahr 2007, das stellvertretend für viele Fälle beweist, wie die deutschsprachigen Südtiroler auch heute noch schikaniert werden können. Bei einer Verkehrskontrolle beharrten zwei Schützen auf ihr im Autonomiestatut verbrieftes Recht auf Gebrauch der Muttersprache. Auch nach längerer Diskussion weigerten sich die Carabinieri-Beamten jedoch, Deutsch zu sprechen. Damit nicht genug. Sie antworteten provokativ: „Siamo in Italia. Se ne va a Innsbruck e torna residente in Austria.“ („Wir befinden uns in Italien. Ansonsten gehen Sie nach Innsbruck und verlegen den Wohnsitz zurück nach Österreich.“) Geistesgegenwärtig schnitt einer der beiden Fahrzeuginsassen das Gespräch mit. Der Vorfall beherrschte wochenlang die Schlagzeilen und wurde Thema im Landtag.

Elmar Thaler Foto: schuetzen.com

„Die Autonomie ist nur eine Übergangslösung“, findet Thaler. „Sie soll so lange befrieden, bis es etwas anderes, besseres gibt. Eine Autonomie kann keine endgültige Lösung sein.“ Er kenne kein Land, in dem sich eine Volksgruppe auf Dauer mit einer Autonomie erhalten hätte. „Irgendwann ging sie im Nationalstaat auf“, fügt der Landeskommandant warnend hinzu. Was also ist zu tun? Wer aus Deutschland nach Südtirol kommt, erlebt eine heile Welt: Brauchtum und Glaube werden gepflegt, es gibt Prozessionen, Kapellen und Wegkreuze, Denkmäler und alte Höfe sind erhalten. Im jüngsten Landtagwahlkampf kam der alte und neue Landeshauptmann (Ministerpräsident) Arno Kompatscher nicht umhin, die Worte „Hoch Tirol!“ zu rufen und in seiner SVP eine „Plattform Heimat“ aus dem Hut zu zaubern. Doch das Fundament, auf dem dies alles, dieser gesunde Patriotismus und Väterglaube, baut, wird nach und nach zerstört.

„Wenn eine Idee wirklich gut ist, wächst sie von allein“

„Die Südtiroler müssen mehr Selbstbewußtsein entwickeln, nicht immer Amen sagen, wenn woanders noch gebetet wird, sich nicht nur auf andere verlassen und auf sich selber schauen“, fordert der Unternehmer Thaler. Das kleine Land hätte allen Grund dazu. Die Wirtschaft boomt, die Provinz, flächenmäßig nicht einmal halb so groß wie Schleswig-Holstein, zählt zu den reichsten in Italien und zusammen mit der Provinz Trient zu den wirtschaftsstärksten Regionen in Europa. Gerade dies böte Raum und Sicherheit für Neues. „Bei einem erfolgreichen Betrieb“, erklärt der Landeskommandant, „wäre ein so zaghaftes Verhalten ja auch schädlich. Ich wünschte mir bei der Bevölkerung mehr Unternehmergeist und Unternehmermut.“

Trotz der hoffnungsvollen Ankündigungen der schwarz-blauen Regierung in Wien unter Sebastian Kurz**, ist der Schütze Realist und geschichtskundig genug, um zu wissen, daß Politiker nicht immer halten, was sie versprechen und Österreich Südtirol nicht immer so fest unterstützte, wie es zuvor angekündigt hatte. „Die guten Ideen brütet die Sonne aus, nicht die Politik “, meint Thaler schmunzelnd. „Wenn eine Idee wirklich gut ist, wächst sie von allein und wenn das Land wieder zusammenwachsen und der Mythos Südtirol erhalten bleiben soll, wird sich das ergeben, dann wird es so kommen.“ Und davon sei er felsenfest überzeugt. „Sonst würde ich mich nicht tagtäglich dafür einsetzen.“

*Seit Ende April ist Jürgen Wirth Anderlan neuer Landeskommandant des Südtiroler Schützenbundes.

**Die schwarz-blaue Koalition ist im Zuge der Ibiza-Affäre auseinandergebrochen.


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